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  Lucas Edel: Venustransit
 

Keine Gnade bei der Göttin der Liebe

Das Datum des letzten Venustransits in unserem Jahrhundert ist der 5-6. Juni 2012. Aber „Venustransit“ von Lucas Edel ist pures Lesensabenteuer für jeden beliebigen Tag.

Das Meisterwerk der Krimimeisterwerke ist ein hermetischer Krimi. Also, die Mordsachen befinden sich in einem verschlossenen Raum. Wenn der Autor seine Leser nicht betrügt (anders gesagt, wenn der verschlossene Raum wirklich verschlossen ist), wird das Lesen eines solchen Buches zu einem großen Erlebnis. Und zu einem seltenen Erlebnis, weil es besonders schwer ist, einen echt hermetischen Krimi zu konstruieren.

Jetzt nehmen wir an: Wenn die Mordsachen auf einer Raumstation passieren, entsteht die hermetische Krimigeschichte des höchsten Grades. Was ist hermetischer, als eine besiedelte Space-Anlage?!

Die unglaublichen Mordfälle im Weltall muss Gus Hayden, ein Sicherheitsfachmann, klären. Das ist der Handlungsfaden des neuen Buches von Lucas Edel. Die Bühne: Eine wissenschaftliche Station, die über der Oberfläche von Venus schwebt. Das Weltall könnte man als spektakulären Hintergrund betrachten, aber auf was für eine heimliche und schreckliche Weise steuert er die Leute in der Venus-Station. Unter dieser Steuerung wirken sie manchmal paranoid, manchmal hysterisch, manchmal heroisch. Manchmal wie Menschen, manchmal wie Phantome. Einige Umstände sind freilich bekannt: Mal Solaris, mal Crichton’sche Andromeda, mal Le mystère de la chambre jaune, mal The Murders in the Rue Morgue, mal Odyssee im Weltraum, mal vielleicht Baron Münchhausen… Unter diesen Bekanntschaften findet man eine ganz brillante Neuigkeit: Die Konstellation der Himmelskörper als Antrieb der ganzen Handlung, raffinierte Mordfälle und einzigartige Ermittlungsmaßnahmen inklusive.

Dabei handelt es gar nicht um die Astrologie. Der Zusammenhang zwischen den Planeten, Umlaufbahnen und Leuten ist so sachlich dargestellt, wie z. B. zwischen einem Messer und der Hand eines Mörders. Ja, das Codewort aller Geschehnisse ist VENUSTRANSIT, der Durchgang der Venus vor der Sonnenscheibe. Was passiert, wenn Sonne, Venus und Erde exakt in einer Linie stehen? Die Antwort der Astronomen ist eher trocken: Die Formel und die Schemata der Planetenneigungen. Viel interessanter (und gleichzeitig unfassbarer) sind die psychologischen Schemata: Ob eine Gerade zwischen den Planeten gegen die Sonne die krummen Feldlinien zwischen den Leuten harmonisieren kann? Oder macht sie uns letztendlich kaputt? Und wenn diese kaputtgegangenen Seelenfeldlinien zu Morden führen, ob es dann eigentlich möglich ist, eine Lösung des kosmischen Krimirätsels zu finden? Gus Hayden wird beinahe selber zu Tode kommen, ehe die Sachlage vor seinen Augen etwas weniger trüb wird. Kein Sherlock Holmes, kein James Bond hatte bisher diese seltene Planetenkonstellation als Bedingung und Spielrahmen einer Mordserie, sogar als Motiv für die Verbrechensaktivitäten, als Werkzeug des Mordes.

Lucas Edel wurde bekannt dank seinen Kurzerzählungen, die paradoxerweise große Welten enthalten. Hier haben wir einen vollblütigen Roman, trotzdem bleibt die Erzählungsmanier vom Autor knapp, energisch, explosiv. Weil der Handlungsraum so groß ist, passieren unzählige Explosionen – wenn nicht im Weltall, dann bestimmt in den Vorstellungen der Leser. Dazu unglaubliche Vielfältigkeit der brisanten modernen Wissenschaftsmaterialen. Aber im Epizentrum stehen sowieso die Leute mit ihren Arbeiten, Forschungen, Hoffnungen, Verlusten, Stärken, Schwächen. Noch mehr: Mit ihren Todsünden, von Wollust an bis zur Völlerei mit einigen Besonderheiten der Verdauung und präzis angestimmten Mengen des ausgeschiedenen Methans. Vorsicht, hinter jeder dieser Sachen kann sich ein weiterer Leichnam befinden!
 


Eckdaten:

  • Taschenbuch: 200 Seiten
  • Verlag: Begedia Verlag (21. Mai 2012)
  • ISBN-10: 3981394666
  • ISBN-13: 978-3981394665

Meine Bewertung: *****

 

 

 
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