Fünf Buchstaben der Welt
Liebe ist nicht nur eine Sache der Welt, sondern die ganze Welt. So denkt Lena Anders, die Hauptfigur vom Buch von Sylvia Dölger. Selbst die Welt ist in ihren Augen diesen fünf magischen Buchstaben (L.I.E.B.E.) gleich. Lernen wir Lena auf dem Höhepunkt des Frauenglücks kennen? Gar nicht! Die Sachlage um die junge Frau Anders ist nämlich anders dargestellt. Der höchste Wert der Liebe fällt ihr ein, als sie vom ihren Freund verlassen wird. Einsamkeit wird zur Ursache der schrecklichen Gefühle, die sie verfolgen, und der grotesken Geschehnisse, eher bösen als lächerlichen, die Lena vorübergehend ruinieren.
Also, die schrecklichen Gefühle verfolgen sie praktisch ihr ganzes Leben lang. Nicht nur „heute“, während die Handlung läuft. Immer. Die Angst, die hinter ihrer Tür steht. Das blendende Licht, das hinter einer Kellertür hervor blitzt. Jedoch konzentriert sich Lena in der Atmosphäre der Einsamkeit noch mehr auf ihre ewigen Ängste, bis die ganze Welt in ihren Augen verloren geht. Oder? Ob ihr ein winziger Fetzen Hoffnung bleibt? Ob jemand ihr irgendwelche Rettungsmittel mitbringt? Um das zu erfahren, muss man Lenas Geschichte bis zur letzten Seite durchlesen, bis zur letzten Zeile, bis zum letzten Punkt. Dazu muss man sagen, dass das für Leser keine „Pflicht“ ist, nur pures Vergnügen, weil sich das Buch leicht, verführerisch und schnell lesen lässt. Und weil Lenas Geschichte zum Teil als „eigene“ Geschichte von jedem beliebigen Leser (eher von jeder beliebigen Leserin) empfunden werden kann. Jeder hat ein Skelett in seinem Schrank, sagen die Engländer. Jeder hat unbewusste Ängste mit Selbstschuldgefühl, die unter Umständen drohen, ihn kaputt zu machen. Und wenn er, bewusst oder unbewusst, seine Ängste füttert statt sie vertreiben zu lassen, kann das ihn zur Übermenge des Schlafmittels als letztes Abendessen führen.
Andererseits – wie kann man die Irrationalität solcher Ängste vertreiben, um sich aus der Falle zu befreien? Keine leichte Frage. Lenas Geschichte ist schon deshalb interessant, weil sie die Schlüssel für solche Lösungen mitgibt. Wie wurde Lena durch ihre Ängste gejagt? Wie hat sie sie dann besiegt? Wer und wie hat ihr geholfen, das Rätsel um die dunklen Ängste zu lösen? Was will Thilo von Lena, dieser willenlose (bis einem bestimmten Punkt im Finale) und trotzdem irgendwie verdächtige Typ? Welchen Einfluss hat aufs Lenas Schicksal (oder umgekehrt was bekommt sie von ihr) die noch geheimnisvollere Anna, die voller Gegensätze zu Lena zu sein scheint (wenn Lena an Liebeskummer leidet, wirft sich Anna in fragwürdige Sexabenteuer mit ihren riskanten Bekanntschaften aus dem Internet)? Was für ein Knoten bindet diese drei anscheinend fremden Menschen zusammen? Die Fragen mehren sich, die Handlung nimmt man mit steigenden Spannung und Ungeduld wahr. Das Buch wirkt wie ein echter Thriller, obwohl manche klassische Elemente von Thriller von der Autorin (nicht ohne Absicht) ignoriert werden. Keine Opfer, keine Verbrecher, zumindest im Sinne des Strafgesetzbuchs. Und gleichzeitig sind alle so oder so geopfert, alle zählen im Selbstgefühl mehr oder weniger zu Verbrechern…
Trotzdem ist die Hoffnung noch nicht verstorben.
Eckdaten:
- Format: E-book
- Dateigröße: 512 KB
- Verlag: Sylvia M. Dölger (6. Februar 2012)
- Sprache: Deutsch
- ASIN: B0076PHDAC
Meine Bewertung: *****
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